Bundesdenkmalamt
Bescheid 21.05.1997
Spruch
Es wird festgestellt, daß die Erhaltung des Annenhofes in Brunn am Gebirge, Leopold Gattringer-Straße 63, Ger.- und Verw.Bez. Mödling, Niederösterreich, Gdst.Nr. .10 Baufläche und Gdst.Nr. 11/1, EZ 35, KG 16105 Brunn am Gebirge, gemäß §§1 und 3 Bundesgesetzes vom 25. September 1923, BGBl.Nr. 533/23 (Denkmalschutzgesetz), in der Fassung der Bundesgesetze BGBl.Nr. 92/1959, 167/1978 und 473/1990 im öffentlichen Interesse gelegen ist.
Begründung
Das beschriebende Objekt ist Eigentum von Herrn Dieter Christian Stöss.
Auf Grund eines Amtssachverständigen-Gutachtens sowie des übrigen Ermittlungsverfahrens steht fest:
Der Annenhof (Leopold Gattringer-Str.63) – in seiner Gesamtanlage einen rückwärtigen Garten mit Pavillion und Brunnen miteinschließend – steht am nordwestlichen Beginn des ältesten, in das 11. Jahrhundert zurückreichenden Ortsteiles an der Stelle, von der die linsenförmige Ausweitung der Straße ihren Ausgang nimmt und deren unmittelbarer Nachbarschaft ein Tor der ehemaligen Befestigungsanlage des Marktes gelegen war.
Den Bauformen nach reicht das Gebäude bis in die Jahrzehnte um 1600 zurück, wobei nicht auszuschließen ist, das im Mauerkern noch ältere Bestände integriert sind. Seine ehemaligen, bei Konegger (Brunner Höfe, S. 17 f, siehe unten) zahlreich angeführten Besitzer lassen sich seit 1689, damals tritt ein Johann Eckner auf, nachzuweisen. Hervorzuheben ist hierbei in der Zeit von 1741-76 Johann Michael Held, der 1736-40 das Richteramt von Brunn ausübte, und dessen Frau Barbara, da dieses Ehepaar eine mit Initialen versehene Stuckdecke im Haus hinterlassen hat. Weiters verbindet sich mit der Familie Held die Hinzufügung einer Gartenanlage, die durch eine im Sessionsprotokoll von 1792 erteilten Bewilligung, „den neu angelegten Garten einzuplanken“, entstehungsgeschichtlich dokumentiert ist. Der heutige Name Annenhof leitet sich von der Gattin des Schriftstellers Ottokar Franz Ebersberg – bekannt unter dem Pseudonym O.F. Berg, Herausgeber der ab 1861 erschienen satirischen Zeitschrift „Kikeriki“ und seit 1876 im Besitz des Hauses – her, zu deren Namensfest alljährlich Feiern im Garten abgehalten wurden. Seit 1984 befindet sich das Anwesen im Eigentum von Dieter Christian Stöss.
Der Grundriß beschreibt eine vierseitige, nach Süden zu einem ummauerten Garten axial geöffnete und in Substanz teilweise frühzeitliche Anlage, deren Straßenfront sich nach Norden orientiert und um 1900 überarbeitet wurde.
Der zweigeschoßige Trakt zur Gattringer Straße erstreckt sich unter ca. mittig überhöhtem Walmdach in unregelmäßiger Staffelung und mit Gesimsgliederung. Dabei wird der von einem mittleren, einachsigen Flacherker akzentuierte Hauptabschnitt von zwei halbrunden Eckkerkern – der linke fassadenparallel, der rechte übereck angeordnet – flankiert. Westlich tritt ein etwas schräg anschließender, zweiachsiger Bauabschnitt mit Hofdurchfahrt und darüberliegendem Zwillingsfenster zurück. Sein korbbogiges spätbarockes Durchfahrtsportal verfügt über ein teilweise erneuertes Steingewände und ein aufgedoppeltes Türblatt mit axialem Gehtürl. Die nicht ganz regelmäßig abfolgenden Kastenfenster besitzen – von Geschäftsbereichen abgesehen – Steingewände mit profilierten Steinbänken, am Ergeschöß in Stegrahmung, am Obergeschoß mit leicht vortretenden Parapeten und Gesimsverdachung, welche an den Drillingsfenstern der Eckerker das umlaufende Traufgesims in voller Rundung begleitet. Während das Baualter der Fenstergewände aufgrund der letzten Renovierung nicht klar ersichtlich ist, erscheinen die Ortsquaderungen am Facherker und an der Westecke als historische Neuinterpretation. Hofseitig treten verschieden Bauabschnitte in unregelmäßiger Staffelung vor und zurück.
Im Erdgeschoß bestehen mehrere Gewölbe (Stichkappentonnen aus der Bauzeit und ein spätbarockes Platzlgewölbe) sowie eine durch eine Zwischenwand abgeteilte Stuckdecke mit figürlichen Elementen, reichem Bandwerk und der Bezeichung „M(ichael +)B(arbara)H(eld) 1747“. Zum flachgedeckten Obergeschoß vermitteln eine Spindeltreppe aus der Bauzeit und ein historisches Stiegenhaus mit bogigem Treppenaufgang. Ein runder Kachelofen in klassizistischen Formen gehört ebenso zum Originalbestand des Hauses wie verschiedene Türen vom späten 18. Bis zm frühen 20. Jahrhundert. Der Dachstuhl stammt aus dem 19. Jahrhundert.
Unter der Erde befindet sich eine weitverzweigte Kelleranlage, die nicht nur das Gebäude unterfängt, sondern auch die gesamte Parzelle einschließlich Garten axial durchschneidet. Ihre teilweise in Sichtziegeln konstruierte Stichkappentonnen (zum Teil auf Wandpfeilern) reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück. Der langgestreckte ehemalige Wirtschaftskeller mit Aufgang zum Hof, Steinwändeportal und korbbogiger Sichtziegeltonne ist dagegen 2. Hälfte 18. Jahrhundert anzusetzen.
Am Ende des mit einigen alten Bäumen ausgestatteten Gartens erhebt sich mittig ein turmartiger zweigeschossiger Gartenpavillion mit Zeltdach. Seine Mauersubstanz geht ebenso wie die dreiseitige, ca. 2m hohe Gartenmauer auf die Entstehungszeit der Gartenanlage um 1789/92 zurück. Das von einem Stichkappengewölbe überspannte Erdgeschoß öffnet sich dreiseitig in Korbbogenarkaden, während rückseitig ein Stegrahmenportal mit Steingewände und aufgedoppelten Türblatt ins Freie führt. Zur ursprünglichen Gartenausstattung zählt auch ein schlichtes, „1789“ bezeichnetes Brunnenbecken an der östlichen Hoffront.
Im Zusammenhang damit wird auch auf folgende Literatur / alte Ansichten / Pläne verwiesen:
- Heinz KONEGGER, Brunner Höfe und andere bedeutende Gebäude, Brunn am Gebirge 1988, S.17 f und Abb. zwischen S. 16-17
- August, Edler von SCHÖNEFELDT, Die Marktgemeinde Brunn am Gebirge von 1500-1800, Mödling 1906, S. 71.
- Katharina PACKPFEIFER, ungedrucktes Manuskript für den Dehio-Niederösterreich südlich der Donau, Stichwort „Brunn am Gebirge“, (erscheint1998).
Den Parteien wurde im Sinne der §§37 und 45 Abs.3 des Allgemeinen Verwaltungs- verfahrensgesetzes 1991 mit Verständigung vom 1. April 1997, GZ 29.348/2/97, Gelegenheit gegeben, zu dem Ergebnis des Ermittlungsverfahren Stellung zu nehmen.
Dazu wurden innerhalb der gesetzten Frist keine Äußerungen abgegeben.
Die Bedeutung und Bewertung des Objektes im Gutachten als Denkmal wurden nicht bestritten.
Das Vorliegen des öffentlichen Interesses an der Erhaltung dieses Denkmals erachtet die Behörde aus folgendem für gegeben:
Der Annenhof stellt im historischen Ortsgefüge ein wichtiges Strukturelement dar, in dem auch die Geschichte des Marktes repräsentativ zur Geltung kommt. Aufgrund seiner nachweisbaren Verbindung mit verschiedenen historischen Persönlichkeiten, deren Bautätigkeit bis heute nachvollzogen werden kann, und seiner Lage, die den Beginn des Altsiedlungsbereiches – nicht zuletzt auch optisch durch die Fassadengestaltung – markiert, erlangt er sehr hohe Aussagekraft. Darüberhinaus verbindet sich mit seiner in wesentlichen Bestandteilen überlieferten Gesamtanlage des 4. Viertels des 18. Jahrhunderts ein interessantes wie auch wichtiges Zeugnis bürgerlicher Wohn- und Gartenkultur jener Epoche.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden. Damit ist im Sinne des dort zitierten Gesetzes das in Rede stehende Objekt unter Denkmalschutz zu gestellt.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Bescheid ist die Berufung an den Bundesminister für Unterricht und kulturelle Angelegenheiten zulässig. Sie hat einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten und ist binnen zwei Wochen ab Zustellung beim Bundesdenkmalamt einzubringen.
Ergeht an:
- Herrn Dieter Christian Stöss, Leopold Gattringer-Straße 63, 2345 Brunn am Gebirge
- den Landeshauptmann von Niederösterreich, Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Herrengasse 11-13, 1014 Wien
- der Marktgemeinde 2345 Brunn am Gebirge
- den Bürgermeister von 2345 Brunn am Gebirge
Nachrichtlich an:
- das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Abteilung III/2, Herrengasse 11-13, 1014 Wien
- das Amt der Niederösterreichischen Landesregierung, Abteilung R/2, Operngasse 21, 1041 Wien
- die Bezirkshauptmannschaft Mödling, Bahnstraße 2, 2340 Mödling
unterfertigt durch
Präsident Saller
Wien, 15. Mai 1997